von Jennifer Stöckl
Rotthalmünster. Dichter, schier undurchdringlicher Rauch raubt einem die
Sicht. Beißender Gestank macht sich breit. Feuer auf Station vier des
Krankenhauses. Was ist zu tun? Mitten im Chaos setzen bei einer werdenden Mutter
die Wehen ein. Patienten husten, verletzen sich beim Versuch, dem Feuer zu entfliehen.
50 Menschen, die meisten sind bettlägerig, müssen in Sicherheit gebracht
werden. Glücklicherweise sind diese Szenen nur gespielt.
Tatsächlich ist das Neugeborene eine Plastikpuppe, die Patienten allesamt
Statisten und der Rauch kommt aus zwei Generatoren. „Wir wollen für den
Ernstfall gewappnet sein“, so Peter Plattner, technischer Leiter des Krankenhauses
Rotthalmünster, am Samstag über diese Übung, bei der eine komplette
Station evakuiert wird.
Um Punkt 15 Uhr schlagen die Krankenschwestern Alarm. Dann schieben sie die
Kranken in einen rauchfreien Raum, versuchen Ruhe zu bewahren, bis endlich die
ersten Feuerwehrmänner mit Atemschutzmasken anrücken im vierten Stock,
um die Patienten nach Draußen zu bringen.
Die Statisten sind gut vorbereitet. Jeder hat eine Krankheit zugewiesen bekommen,
entsprechend müssen die Pflegekräfte handeln.
Eine Evakuierungsübung dieser Größenordnung gab es schon lange
nicht mehr in der Region. Der Zeitpunkt jetzt ist ideal. Peter Plattner erklärt:
„Der vierte Stock steht im Moment wegen anstehender Renovierungsarbeiten leer.
So hatten wir genügend Platz. Außerdem wollen wir die Zusammenarbeit
zwischen dem Krankenhaus, dem Roten Kreuz und der Feuerwehr stärken.“ Zukünftig
werde mindestens alle zwei Jahre so eine Übung abgehalten.
Die geregelte Organisation einer Evakuierung sei das Wichtigste, so Plattner
weiter. Und deswegen sind die Aufgaben von Feuerwehr, Rettung und Krankenhaus
bei einem Ernstfall strikt getrennt. Die Feuerwehr, die im Notfall zuerst alarmiert
wird, verständigt das Rote Kreuz und stuft die Gefahr ein. Bei der Übung
wurde gleich Stufe drei ausgerufen - höchste Gefahr. Dann müssen alle
Feuerwehren der Region zu Hilfe gerufen werden. Insgesamt 20 Fahrzeuge von zehn
Feuerwehren sind am Samstag ausgerückt. 146 ehrenamtliche Hilfskräfte
sind im Einsatz. „Wir müssen zu allererst Sorge dafür tragen, dass
die Patienten aus der Gefahrenzone gebracht werden und natürlich löschen
wir auch den Brand“, so Max Ebertseder, Einsatzleiter der Feuerwehr. „Bei einem
Ernstfall müssen wir immer vor Ort entscheiden, ob wir überhaupt evakuieren
müssen oder die Patienten nur im Haus verlegen“, erklärt er weiter.
Sind die Patienten erst einmal aus dem Gebäude gebracht, ist das Rote Kreuz
an der Reihe. Zunächst werden die Namen aller geretteten Patienten registriert
und mit den Krankenhauslisten verglichen. Dieser Schritt ist besonders wichtig.
Alois Dichtl, Einsatzleiter des Roten Kreuzes, weiß: „Bei dem Chaos, das
bei einem Brand unweigerlich entsteht, kann es leicht passieren, dass Patienten
verloren gehen.“
Nun geht es in die so genannten Sichtungszelte. „Dort werden von einem Team
aus Notärzten und Krankenschwestern die Patienten in verschiedene Kategorien
unterteilt und je nachdem weiterversorgt, wie schlimm die Krankheiten und Verletzungen
sind“, erklärt Alois Dichtl, Einsatzleiter des Roten Kreuzes. Schwerstverletzte
werden mit Hubschraubern in die nächsten Krankenhäuser gebracht. Die
Evakuierung verlief nahezu reibungslos. Doch kleine Fehler wurden immer wieder
gemacht. Diese hält Johann Mader, Bereitschaftsleiter und Ausbilder aus
Bad Griesbach, als neutraler Beobachter fest: „Die Kommunikation zwischen dem
Krankenhaus, der Feuerwehr, dem Roten Kreuz und der Polizei, die den Verkehr
geregelt hat, war noch nicht ideal“, lautet seine erste Bilanz. Aber, so bekräftigt
er, aus Fehlern lerne man schließlich. Bei einem realen Brand dieser Größenordnung
würden auch noch mehr Rettungskräfte zur Stelle sein. Für die
gespielte Katastrophe wurden nur die Reservefahrzeuge der Feuerwehren und der
Rettung benutzt.