Von Gerold Zue
Kößlarn. In der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1868 passierte
in Kößlarn etwas, das entscheidend für die Geschichte des Feuerlöschwesens
der Marktgemeinde war. 15 Wohn- und 18 Nebengebäude, also 33 Firste, brannten
gänzlich nieder. Der Feuersturm vernichtete Unwiederbringliches wie etwas
das Modler-Haus mit seiner prachtvollen Stuckfassade. Es war die schwerste
Brandkatastrophe in der Marktgeschichte. Die Ursache des Brandes konnte nicht
ermittelt werden. Einige behaupteten, dass das Feuer durch Unvorsichtigkeit
der Glaser-Magd entstanden wäre.
Fast alle Gebäude sind aus Holz
Die Häuser zu beiden Seiten der Marktstraße waren früher mit
wenigen Ausnahmen aus Holz gebaut, hatten weit vorspringende Dächer und
waren mit leicht entflammbaren Legschindeln gedeckt. Öfters hieß es
am Wirtstisch, wenn es einmal brenne, sei der ganze Markt gefährdet. Als
besonders gefährliche Stelle galten damals das Glaser- und das Urlhart-
Haus, weil dort die Häuserreihe ein scharfes Eck bildet, so dass die rückwärtigen
Holzlegen, Stadel und Stallungen ganz eng zusammengerückt waren. An jenem
13. Oktober fand in Kößlarn eine Hochzeit statt im damaligen Brauereigasthof
Kirschner (heute Gasthof Zur Alten Post). Der Bräutigam war Franz Weidinger,
Häusler in Westerbach, die Braut Maria Eckinger, Zimmererstochter aus
Aigen. Alles war lustig und fröhlich. Um 19 Uhr stürzte plötzlich
die Bräuerstochter Maria Kirschner in die untere Gaststube mit dem Schreckensrufe:
„Es brennt.“ Entsetzt sprangen alle Gäste auf und rannten hinaus. Die
Flammen schlugen schon über das Glaser-Haus hinaus. Der Erste, der zum
brennenden Haus kam, war wohl der Felixberger aus Holzhäuser. Er kam gerade
recht, als zwei Kühe aus dem Hause rannten. Er nahm die Tiere und führte
sie gegen Fraunberger hinauf, wo sie ihm ein fremder Mann entriss, später
tauchten sie dann wieder auf. Die Leute waren in erster Linie auf die Bergung
ihrer Habseligkeiten bedacht. Sie stürzten in die Häuser und warfen
den Hausrat auf die Straße. Viel zerbrach, noch mehr wurde gestohlen.
Viele sah man schwer bepackt nach allen Seiten davonlaufen. Am Marktplatz hörte
man nur noch das Geschrei und Jammern der Frauen und Kinder. Später brachte
man die Kinder und die geretteten Sachen auf eine Wiese Richtung Ragern. Auch
dort wurde viel gestohlen. An ein Löschen des Brandes war zunächst
nicht zu denken. Es gab keine organisierte Feuerwehr, und die Lösch- und
Rettungseinrichtungen waren hoffnungslos veraltet. Nur eine unzulängliche
Spritze aus dem Jahr 1819 war vorhanden. Auf den Gedanken, die Nachbarhäuser
zu schützen, kam man nicht. So konnten die Flammen ihr Zerstörungswerk
ungehindert fortsetzen. War einmal ein Holzschindeldach in vollem Brand, so
genügte etwas Wind, um den Funkenregen bzw. das Flugfeuer von Giebel zu
Giebel zu tragen. Es herrschte eine heillose Unordnung und große Ratlosigkeit.
Der Erste, der ans Löschen dachte, war der besonnene Benefiziat Hundsberger,
damals Zehn-Uhr-Messe-Leser. Er rief Jugendliche und Erwachsene zusammen, schickte
sie um Eimer und Geschirre, formierte zwei Reihen Handlanger bis zum Kesselbach
und zurück und ließ die alte Feuerspritze bringen. Doch das Feuer
hatte bereits so weit um sich gegriffen, dass man mit der einen Spritze nichts
mehr ausrichten konnte. Es kam auch niemand auf den Gedanken, Boten auszuschicken,
um Hilfe herbeizuholen. Da es bereits dunkel war, zeigte die mächtige
Brandröte am Himmel aber ohnehin weitum das Feuer an. Nur der Schmiedemeister
Will warf sich auf sein Ross und jagte nach Rotthalmünster. Dort glaubte
man, es brenne bei Aicha. Als Will ihnen dann zurief „mitten in Kößlarn“,
fuhren sie gleich ab.
Bayerbacher bringen die erste Feuerspritze
Die erste Feuerspritze, die ankam, nach 20 Uhr, war die aus Bayerbach. Mit
bei den Ersten war auch die aus Birnbach. Um 20.30 Uhr kamen die Rotthalmünsterer.
Als sie in den Markt einfuhren, brannte das Feuer bei der jetzigen Apotheke
schon lichterloh zum Fenster heraus. Das Feuer breitete sich rasend schnell
aus. Im Laufe der Nacht kamen 13 Feuerspritzen zusammen. Die Hitze war bereits
so groß geworden, dass man sich auf der Straße kaum mehr aufhalten
konnte. Nun ging’s an die Aufstellung. Die gefährlichste Stelle war
beim jetzigen Erbertseder-Haus (früher Mühlarzt Vogginger), wo
ein kleines Gässchen die Häuserreihe abschließt. Hier nahmen
die Birnbacher Aufstellung. Sie waren mit zehn Mann gekommen. Das Kommando
hatte Johann Matzberger, der sich dann in Kößlarn als Schlosser
niederließ. Die Birnbacher arbeiteten ununterbrochen die ganze Nacht
mit beispielloser Zähigkeit, Geschicklichkeit und Aufopferung. Es dürfte
ihnen zu verdanken sein, dass das Feuer in Richtung Unterer Markt nicht mehr
weiter vordringen konnte und dieser Teil des Marktes vor dem Untergang gerettet
wurde.
Löschwasser ist ausreichend vorhanden
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An zwei sehr gefährlichen Stellen im Markt waren zehn Spritzen gegen das
wütende Element im Einsatz. Wasser war in ausreichender Menge vorhanden
- aus dem Kesselbach und den vielen ergiebigen Marktbrunnen. Es waren aber
sehr viele Handlanger notwendig, um die vielen Spritzen ununterbrochen mit
Wasser zu versorgen. Manche „Feuergaffer“ und Faulenzer sprangen aus der Reihe.
Es bedurfte großer Energie, um die Leute bei der Stange zu halten. Wie
gefährlich die Lage für den ganzen Markt gehalten wurde, zeigt die
Tatsache, dass bereits auch im oberen Markt und der hinteren Gasse zum Forsthaus
hinaus ausgeräumt wurde. Noch um Mitternacht glaubte man, dem Feuer nicht
mehr Herr werden zu können. Die brennenden Legschindel flogen überall
im Markt herum und fielen auf die holzgedeckten Dächer. Um ein Uhr nachts
kam endlich die Erlösung. Ein günstiger Westwind trieb die Rauch-
und Feuerschwaden und Funken gegen die Wiesen am Voglberg. Erst jetzt konnte
man aufatmen. Es wurde noch die ganze Nacht gelöscht und gearbeitet, und
als der Tag graute, lag ein großer Teil des Marktes in Schutt und Asche. Über
die Entstehung des Brandes verlautete, dass die Magd des Glasers glühende
Asche auf den Düngerhaufen gestreut hätte. Dadurch hätten die
anliegenden, hölzernen Gebäude Feuer gefangen. Gesehen hat es aber
niemand. Nach dem Brand erkannten die Kößlarner, wie notwendig eine
Feuerwehr ist. Schon am 6. November 1868 wurde eine Wehr gegründet und
als Vorstand der Maurermeister und Bürgermeister Stöfl gewählt.
Laut Passauer Donau-Zeitung gab es 1868 erst 32 Feuerwehren in ganz Niederbayern.